Napoleon Series Archive 2017

Re: Decline of Saxon loyalty in 1813

from the discussion on napoleon - online . de - contributor Thomas Hemmann with a lot of quotes


Standard Zur Revue bei Kültzschau

Ich würde gern noch, soweit aus der Literatur herausziehbar, einige Textstellen anführen. Nach wie vor bezweifle ich R. Töppels These, nicht um die Sachsen oder eine mir liebgewordene Legende zu retten, sondern weil ich die von der Mehrzahl wiedergegebenen Ereignisse (weitgehendes Verweigern des ‚Vive l’Empereur!‘)für viel plausibler halte als das entgegengesetzte Verhalten (s.u.). Natürlich kann jeder Augenzeuge nur über das berichten, was in seiner Nähe geschah - zwei Bataillone weiter mag gerufen oder gejubelt (und auch darüber später glaubwürdig berichtet) worden sein, ohne dass ein Offizier oder Soldat einer anderen Einheit dies vielleicht mitbekommen hat, d.h. subjektiv sagt wahrscheinlich jeder die Wahrheit.

Zur Einordnung der Stimmung vor der Revue muss man sich m.E. aber auch die objektive Lage der Sachsen vor Augen führen: Nach den schweren Niederlagen bei Großbeeren und Dennewitz (für letztere bekamen die Sachsen von frz. Seite offiziell die Schuld in die Schuhe geschoben) war die Moral wahrscheinlich ziemlich gedrückt. Die planmäßige Verwüstung des rechtselbischen Sachsen (hatte ich schon angesprochen), aber auch das Toben des Krieges im linkselbischen Teil hatten vermutlich nicht verfehlt, auf die Stimmung der sächsischen Soldaten einzuwirken. Ein Bataillon (vom IR König?) unter Maj. v. Bünau war bereits zu den Verbündeten übergegangen. Hinzu kamen die großen physischen Beschwerden des Herbstfeldzuges: starke Märsche, schwierige Verpflegungslage, teilweise schlechtes Wetter.

Nun zu den Textstellen:

1) Sachsen haben "ein weithin tönendes ‚Vive l‘Empereur!‘ gerufen": Nach Sans-Gêne: Vollborn, Probsthayn, Kummer – nicht veröffentlicht bzw. mir nicht bekannt, hier bitte ich um Ergänzung der Texte.

2) „Neutral“ – keine Aussage hierzu:

Friedrich v. Dressler, S. 47: (erwähnt nur beiläufig die Revue).

Kummer, S. 26: (gibt nur in Kurzform die Rede Napoleons, ohne die Reaktion der Sachsen darauf zu erwähnen).

3) Sachsen haben das ‚Vive l‘Empereur!‘ (überwiegend) verweigert:

Buhle, S. 102f: (paraphrasiert Cerrini).

Cerrini, S. 307: „Es kostete den Offizieren unsägliche Mühe, die aufgeregten Geister zu besänftigen und diesen Haß [auf die Franzosen - TH] zu bändigen: er blieb unvertilgbar. In solcher Gährung und von dem Glauben durchdrungen, daß sich die Lage der Dinge nun bald ändern müsse, fand uns Napoleon. Als er, bei seiner Ankunft, längs der Front hinabritt und ihm die, nebenstehenden Franzosen ein lautes ‚Vive l’Empereur!‘ zuriefen, blieben nur die sächsischen Kolonnen stumm. Der Kaiser sprach hierauf mit den Offizieren und Unteroffizieren des siebenten Armeekorps, und die französischen Offiziere begleiteten abermals den Schluß der Rede mit einem lauten ‚Vive l’Empereur!‘ doch die Sachsen entfernten sich schweigend und kehrten, von des Kaisers zornigen Blicken begleitet, zu ihren Kolonnen zurück.“

Frenzel, S. 170 (gibt eine ganz kurze Zusammenfassung des Inhalts von N. Rede und fährt dann fort): „Als die französischen Offiziere den Schluß dieser Rede mit einem abermaligen ‚Viwe Lampereur!‘ begleiteten, entfernten sich die sächsischen ernst und still. Grimmige Blicke des Herrschers folgten ihnen bis zu unseren Reihen. Unsere Offiziere theilten uns mit, was der Kaiser ausgesprochen hatte (aber mit dem Beteuten, uns ruhig zu verhalten), es möchte da aufkommen, was da wolle. Auf diesem Platz habe ich Napoleon das letzte Mal gesehen. Wir waren sehr nahe. Gleich nach dieser merkwürdigen Musterung gaben die Sachsen so ziemlich deutlich ihren Unwillen zu erkennen.‘“

Larisch, S. 119f (gibt erst die Rede Napoleons wieder und fährt dann fort): „Diese Rede, bei ihrer etwas seltsamen Uebersetzung, vor allem aber infolge der sehr gedrückten politischen Stimmung zündete nicht mehr, wie ehedem; wohl riefen die Franzosen noch ihr lautes ‚Vive l’Empereur!‘ allein die Sachsen stimmten zum ersten Male nicht mit ein, sie kehrten vielmehr, wodurch Napoleon anscheinend unangenehm berührt wurde, nur schweigend in ihre Reihen zurück.“ [nach R. Töppel lediglich Zusatz des Herausgebers A. v. Larisch, 1888?]

Odeleben, S. 322ff (gibt erst die Rede Napoleons wieder und fährt dann fort): „Diese Rede brachte keine Wirkung hervor. (...) Die sächsischen Truppen waren bei der wohl erkannten bedrängten Lage ihres Corps und ihres leidenden Vaterlandes jetzt am allerwenigsten geneigt, mit Eifer für des Kaisers Absichten zu fechten; der größte Unwille hatte sich schon ausgesprochen, und ward täglich durch die Vorrechte genährt, welche sich die Franzosen auf jedem Marsche, in jedem Quartiere anmaßten. Bis hieher hatte sie [die Sachsen - TH] die strenge Kriegszucht noch zusammengehalten, aber jene das Selbstgefühl empörenden Ursachen erzeugten, nebst dem anlockenden Berufe, Deutschland vom französischen Joche befreien zu helfen, neun Tage später den Entschluß, während der Leipziger Schlacht die französischen Reihen zu verlassen - und zu den verbündeten Mächten überzugehen.“

Die bibliografischen Angaben bitte ich bei Interesse unter www.napoleonzeit.de -> "Memoiren & Biografien" -> Sachsen nachzuschlagen.

Gruß, Tom
(Hoffe, ich habe mich bei den Zitaten nicht allzu oft vertippt, bitte ggf. um Hinweise.)

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06.04.2013, 21:36 #16
Avatar von Mephisto
Mephisto
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Ich bin beeindruckt von Deinen Quellen - wie immer.
Aber auch in der Summe zu 3. stellt sich mir immer noch die Frage:
Jubelten die Männer nicht, weil sie nicht jubeln wollten, oder jubelten die Männer nicht, weil ihre Offiziere ihnen nicht da Zeichen/Erlaubnis dazu gaben? [sie die Freiheit zum Jubeln erhalten hatten]
… doch die Sachsen entfernten sich schweigend und kehrten zu ihren Kolonnen zurück.
Damit sind die Offiziere gemeint.
Kehrten vielmehr nur schweigend in ihre Reihen zurück.
Hier ebenso.

Geändert von Mephisto (06.04.2013 um 22:35 Uhr)

Gruß
Mephisto

"Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807

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06.04.2013, 23:19 #17
Da Capo
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Es ist bei der Rede an die Sachsen zu bedenken, dass der Kaiser die Offiziere und Unteroffiziere hat vortreten lassen, um direkte Ansprache zu nehmen. Der Schütze Schmidt IV hat von der Geschichte also garnichts mitbekommen.

Wie hätte auch die Stimme des Kaisers an einem Herbsttag in der wohl kaum windstillen Muldenaue, wo man nebenbei auch noch ein paar Kosaken verscheuchen durfte, das ganze Korps beglücken sollen. Es war doch gerade auf die persönliche Ansprache berechnet, die diesmal ihre Wirkung verfehlte. Und ob die Sachsen nun gerufen haben oder nicht, der Unterschied zu den Jubelbezeugungen der frz. Divisionen war nicht zu übersehen/-hören.

Wenn der Feind in Schußweite ist, bist Du es auch. Vergiss dabei nie, dass Deine Waffe vom billigsten Anbieter stammt.

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07.04.2013, 11:07 #18
Avatar von Gunter
Gunter
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Nach den Zitaten und Erwähnungen gewinne ich langsam den Eindruck, dass da möglicherweise nur die Offiziere gejubelt haben. Vielleicht war das auch garnicht erst anders vorgesehen, so dass eine ablehnende Haltung der Mannschaften so oder so garnicht offiziell auffallen konnte. Man sollte nicht vergessen, dass Napoleon auch von seinen eigenen französischen Offizieren häufig über die realen Zustände hinters Licht geführt worden ist.

Trotz allem muss Napoleon den Sachsen noch vertraut haben, denn man erinnere sich an das Schicksal der Nassauer, von denen auch ein großer Teil überlief und der Rest entwaffnet und interniert wurde. Nicht so jedoch die sächsischen Truppen nach dem Übergang des Bataillons vom Regiment König und auch nicht die nach dem Überlaufen der meisten Truppen auf französischer Seite verbliebenen Truppen.

Grüße

Gunter

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07.04.2013, 14:20 #19
Tom
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Standard Takt. Situation am 18.10. / Einsatz der Sachsen

Das Argument von Töppel, Napoleon hätte die Sachsen - sofern sich ihre Stimmung so eindeutig feindselig geäußert hätte - nicht mehr in die 1. Linie gestellt, zieht m.E. zumindest am 18. Oktober bei Paunsdorf überhaupt nicht. Seit dem 17.10. war Napoleon klar, dass er die Schlacht nicht mehr gewinnen konnte (er stand mit rd. 190.000 Mann gegen nunmehr fast 300.000 Verbündete, nachdem Bernadotte, Bennigsen und Bubna herangekommen waren - der am 16.10. geplante und mögliche Zentrumsdurchbruch bei Wachau war misslungen).

Am 18./19.10. konnte es für N. nur noch darum gehen, seine Armee durch den Flaschenhals von Lindenau herauszuziehen. Dazu musste er im Norden, Osten und Süden Leipzigs verteidigungsweise verfahren; böse Zungen sagen, er opferte dort die vor allem aus anderen Nationen rekrutierten Korps, um die Garde und die überwiegend nationalfranzösisch rekrutierten Korps zu retten (*). Ob die Sachsen dabei bei Paunsdorf verheizt worden oder nicht, war aus seiner Sicht nachrangig, mit der Niederlage in der Hauptschlacht bei Leipzig war zwangsläufig die Räumung von ganz Deutschland bis zum Rhein - dem nächsten haltbaren Abschnitt - verbunden (natürlich bis auf ein paar Festungen, die noch in frz. Hand blieben). Wenn die 3-4.000 Sachsen dann schlimmstenfalls - wie zuvor das Batl. Bünau - davonliefen, änderte das auch nichts mehr am Ausgang der großen Entscheidung. Das Königreich Sachsen war in jedem Fall für Napoleon verloren.

Im Nachgang haben dann einige frz. Historiker (Thiers et al.) aus dem Übergang der Sachsen und der württembergischen Brigade Normann freilich noch Honig gesaugt und diesen ehemaligen Alliierten den Verlust der Schlacht zugeschoben, um ihr Idol Napoleon zu retten - aber das ist wieder eine andere Geschichte

Gruß, Tom
(*) Die vorzeitige Sprengung der Elsterbrücke - mit dem daraus resultierenden Abschneiden mehrerer Korps - hat dies allerdings durchkreuzt.

Geändert von Tom (07.04.2013 um 14:24 Uhr)

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